Bauen ist derzeit wahrlich kein einfaches Unterfangen in Margetshöchheim. Schlechte Neuigkeiten vom Baugebiet Scheckert-Lausrain: das beschleunigte Verfahren scheitert, das Bauleitverfahren muss komplett von vorne beginnen. Die Verzögerung kostet viele Monate. Schuld sind unter Anderem die Umweltauflagen.
Wer wissen will, warum Bauen in Deutschland soviel Zeit, Geld und Nerven kostet, hat in Margetshöchheim einen reichen Fundus. Ein weiteres unrühmliches Exempel bietet derzeit das Neubaugebiet Scheckert-Lausrain. Wohnraum sollte dort eigentlich im beschleunigten Verfahren entstehen - nun stellte sich im Oktober allerdings heraus, dass das Baugebiet nicht im beschleunigten Verfahren umgesetzt werden kann und ins Regelverfahren überführt werden muss. Konkret heißt das: Alles auf Anfang. Der Gemeinderat stimmte dem Einstieg ins Regelverfahren zähneknirschend zu; andere Optionen gab es nicht. "Das beschleunigte Verfahren ist beerdigt. Es ist frustrierend, denn die Leute warten darauf, dass der Baugrund endlich erschlossen wird", äußert Bürgermeister Waldemar Brohm auf Nachfrage.
Knackpunkt sind die umweltrechtlichen Prüfungen
Knackpunkt in dem Debakel sind die umweltrechtlichen Prüfungen. Im Jahr 2017 hatte die damalige Bundesregierung ein Gesetz für beschleunigte Bauverfahren verabschiedet, den Paragrafen §13b Baugesetzbuch. Er ermöglichte es Kommunen, unter bestimmten Voraussetzungen Baugebiete ohne tiefergehende Umweltprüfung auszuweisen, etwa wenn das fragliche Gebiet im Außenbereich mit Anschluss an bestehende Wohnbebauung lag und kleiner als 20.000 Quadratmeter war; beim Baugebiet Scheckert-Lausrain traf dies zu. 2019 begann der Gemeinderat mit einem Konzept zur Baugebietsausweisung, um auf dem Areal Wohnbebauung zu ermöglichen. Im vergangenen Jahr war das Bauleitverfahren bereits in vollem Gange, etliche Beschlüsse zur Ausgestaltung von Scheckert-Lausrain waren verabschiedet. Im September 2023 hätte der Bebauungsplan in zweiter Lesung beschlossen und die neuerliche Anhörung der 49 Träger öffentlicher Belange (TÖB) gestartet werden sollen, doch dem machte dann ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts einen Strich durch die Rechnung: Das Gericht erklärte das beschleunigte Bauverfahren in letzter Instanz für rechtswidrig, weil es gegen EU-Recht verstößt. Geklagt hatte der Bund Naturschutz (BUND) gegen ein Neubaugebiet in einer baden-württembergischen Gemeinde; die Umweltschützer waren der Auffassung, dass das beschleunigte Bauverfahren mit fehlender Umweltprüfung gegen das Unionsrecht verstößt. Das Gericht schloß sich dieser Rechtsauffassung an, und so entstand ein Präzedenzfall, von dem etliche Kommunen in ganz Deutschland betroffen waren. In der Folge lag das Neubaugebiet Scheckert-Lausrain von September 2023 bis Januar 2024 komplett auf Eis, bis der Gesetzgeber mit einer sogenannten "Reparaturklausel" um die Ecke kam, die es ermöglichen sollte, angefangene Bauleitplanungen bis Dezember 2024 zu Ende zu führen (einen ausführlichen Bericht dazu finden Sie in einem älteren Blog-Artikel unter https://www.margetshoechheim-blog.de/politik-gemeinde/baumasnahmen-dorfentwicklung/767-bundesregierung-bessert-gesetzes-murks-nach-bauleitverfahren-f%C3%BCr-scheckert-lausrain-startet-in-die-n%C3%A4chste-runde?highlight=WyJzY2hlY2tlcnQiXQ==).
Das Ökokonto ist noch nicht fertig
Die Bauleitplanung bis zum Jahreswechsel fertigzustellen wird jedoch unmöglich sein, denn die zwischenzeitlich durchgeführte Vorermittlung des naturschutzrechtlichen Ausgleichsbedarfs der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) hat ergeben, dass fast 73.000 Wertpunkte auszugleichen sind. Die Gemeinde kann davon nur rund 19.000 Wertpunkte unmittelbar ausgleichen, es fehlen also Ausgleichsflächen im Wert von über 50.000 Punkten. "Früher wurde der Ausgleich über die Quadratmeter berechnet, jetzt wird in Ökopunkten gerechnet. Ein Grundstück mit Hecken zählt zum Beispiel mehr als ein Grundstück mit Streuobst", erläutert Bürgermeister Brohm auf Nachfrage. Flächen für einen entsprechenden Ausgleich hat die Gemeinde derzeit nicht unmittelbar zur Verfügung. Allerdings steht die Erstellung des interkommunalen Ökokontos der acht ILE-Gemeinden, darunter Margetshöchheim, aktuell kurz vor dem Abschluss. Die Gemeinde geht davon aus, dass daraus die erforderlichen Wertpunkte in Anspruch genommen werden könnten, muss jedoch den Abschluss des Projekts abwarten und wird deshalb die Frist der Bauleitplanung für Scheckert-Lausrain bis 31. Dezember nicht halten können. Zudem müssen die bisherigen Abstimmungen mit der UNB wegen personeller Fluktuation nochmals erörtert werden. (Einen ausführlichen Bericht zum interkommunalen Ökokonto finden Sie in einem älteren Blog-Bericht unter https://www.margetshoechheim-blog.de/politik-gemeinde/gemeinde-gemeinderat/243-%C3%B6kologische-ausgleichsfl%C3%A4chen-ile-gemeinden-beschlie%C3%9Fen-gemeinsames-%C3%B6kokonto?highlight=WyJcdTAwZjZrb2tvbnRvIl0=). Folglich muss das Bauleitverfahren für das Baugebiet Scheckert-Lausrain also von vorne beginnen.
Ökologische und soziale Ausrichtung im Scheckert-Lausrain
Mit den Flächen am Scheckert-Lausrain hat Margetshöchheim erstmals seit Jahrzehnten ein größeres Baugebiet ausgewiesen. Das Areal soll nicht 08/15 bebaut werden, sondern mit ökologischer und sozialer Komponente. In etlichen Sitzungen und Workshops erarbeiteten die Gemeinderäte in den vergangenen Jahren verschiedene Aspekte - von der Anzahl und Art der Gebäude über die Verkehrserschließung bis hin zur Wasser- und Energienutzung. Aus den Vorschlägen fertigte das Planungsbüro Haines Leger einen städtebaulichen Entwurf, der seit Oktober 2021 als Grundlage für weitere Beschlüsse dient.
Das Baugebiet wurde damals geringfügig um kleine Teilflächen von bestehenden Grundstücken erweitert und umfasst nun knapp 20.000 qm (die überbaubare Fläche umfasst 12.000 qm). Davon gehören der Gemeinde durch Zukäufe bzw. Umlegung rund 50 %, die andere Hälfte wird von 12 PrivateigentümerInnen bebaut. Die Gemeinde will 30 % des Baugebiets für sozialen Wohnungsbau vorhalten. Analog zum Baugebiet Birkäcker sollen Bauplätze am Scheckert-Lausrain im "Ansiedlungsmodell" anhand eines Punktesystems vergünstigt vergeben werden - Kriterien sind z.B. Ortsansässigkeit, Einkommensgrenzen und ehrenamtliches Engagement. Insgesamt sollen etwa 100 Wohneinheiten entstehen, verteilt auf Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften und Mehrfamilienhäuser. Auch ein Mehrgenerationenhaus ist von einem Eigentümer geplant. Im Sinne der Nachverdichtung können je nach Lage der Grundstücke bis zu drei Vollgeschosse errichtet werden. Bei einer durchschnittlichen Belegung mit 2,5 bis 3 Personen pro Wohneinheit entspricht das rund 300 Einwohnern. Zudem plant auch der Eigentümer des angrenzenden Götz-Areals zahlreiche neue Wohneinheiten. Am Ende dürften mehr als 10 % aller MargetshöchheimerInnen im Scheckert-Lausrain wohnen.
Es wurden bereits Details zur Verkehrsplanung und zum Immissionsschutz beschlossen. Im Wohngebiet favorisiert der Gemeinderat eine ringförmige Straße, die durch zwei kreuzende Wege ergänzt wird. Dabei soll ein von Bäumen gesäumter wassergebundener Weg von der Einfahrt ins Wohngebiet bis zum grünen Ortsrand die "Sichtachse" prägen. Für eine gute Anbindung an das Ärztehaus sowie den Wiesenweg sollen neue Treppen und Fußwege sorgen. Parkmöglichkeiten sollen durch Tiefgaragen und Stellplätze entstehen, zudem könnten an der Straße "Am Scheckert" eventuell Parkplätze und Ladesäulen geschaffen werden. Von großer Bedeutung wird die Anbindung des Wohngebiets an die Staatsstraße sein; dazu laufen Gespräche mit dem Straßenbauamt.
Ein besonderes Augenmerk liegt beim neuen Baugebiet auf dem Thema Ökologie. Der Gemeinderat hatte sich explizit gewünscht, dass umweltbezogene Aspekte bei der Planung von Park- und Verkehrsflächen, der Wohnraumstruktur, der Entwässerung und Energiegewinnung berücksichtigt werden. Auf dem Planungsgebiet sind 48 Bäume kartiert, diese sollen größtenteils erhalten und durch Nachpflanzungen ergänzt werden. An der Einfahrt zum Wohngebiet sollen das "Baumtor" und eine als Biotop geschützte Hecke erhalten bleiben. Der jetzige Feldweg in Richtung Norden soll als wassergebundener Weg die "Sichtachse" in die Natur beibehalten. Zwischen den Gebäuden sind zahlreiche Grünflächen, teils mit öffentlicher bzw. "halböffentlicher" Nutzung vorgesehen. Teilweise begrünte Fassaden und Dächer sollen die Artenvielfalt und ein ausgeglichenes Mikroklima fördern. Regenwasser soll über Rigolen versickert und gesammelt werden, auch ein naturnaher Regenwasserteich am südöstlichen Rand des Wohngebiets ist vorgesehen. Eine großflächige Regenwasserversickerung ist in dem Baugebiet allerdings nicht möglich, weil der felsige Untergrund kaum Regenwasser aufnehmen kann; das ergab ein Gutachten. Das angestrebte "Schwammstadt-Konzept" lässt sich daher nicht realisieren. Des Weiteren gab es bereits Planungen zur Nutzung regenerativer Energien wie Photovoltaik auf den Dächern.