Für Margetshöchheim mit seinen ausgedehnten Streuobstwiesen kam aus der Staatsregierung am 18. Oktober eine gute Nachricht: Bayern hat den sogenannten Streuobstpakt beschlossen. Der 600 Millionen Euro schwere Deal ist ein besonderes Ereignis in der Landespolitik, denn er ist das Ergebnis einer Kooperation von Ministerien und Verbänden aus Umweltschutz, Landwirtschaft und Wirtschaft.
Der ursprüngliche Ausgangspunkt war das Volksbegehren "Rettet die Bienen" von 2019, in dem auch Streuobstwiesen aufgeführt waren; für die mangelnde Umsetzung in Bezug auf den Schutz dieser besonders artenreichen Gebiete hagelte es Kritik für die Staatsregierung, der Bund Naturschutz (BN) und der Landesbund für Vogelschutz (LBV) reichten Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein.
Darauf wurden runde Tische und Arbeitstreffen mit den verschiedensten Akteuren ins Leben gerufen, um die unterschiedlichen Aspekte von Naturschutz, Landwirtschaft und Politik unter einen Hut zu bringen; der ehemalige Landtagspräsident Alois Glück (CSU) moderierte die Treffen. "Der Streuobstpakt ist etwas ganz Besonderes", verkündete Glück bei der heutigen Pressekonferenz in München. Er gehe über ein reines Schutzkonzept hinaus, denn jetzt gebe es "miteinander bis zur Fruchtsaftindustrie" ein Konzept, das sowohl dem Naturschutz als auch der Wirtschaftlichkeit eine neue Perspektive gebe. Das gemeinsame Konzept angefangen von den Baumschulen über die Landwirte bis hin zur Marktverwertung bezeichnete Glück als "einmalig". Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lobte den Streuobstpakt als Ergebnis eines "Versöhnungsprozess", weil er Landwirtschaft und Naturschutz vereine. Der Streuobstpakt sei ein "gewaltiger Kraftakt" gewesen, sagte die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). Er markiere eine Trendwende für die Biodiversität, Kulturlandschaft, Wertschöpfung und Wertschätzung. Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) bezeichnete den Pakt als "Initiative für ein blühendes Bayern". Auch die Vorsitzenden der beiden Umweltverbände zeigten sich zufrieden mit der Allianz und lassen die Klage nun ruhen.
Der Streuobstpakt sieht vor, dass vom Start des Programms 2022 bis 2035 jedes Jahr 100.000 neue Streuobstbäume in Bayern gepflanzt werden, insgesamt 1 Million neue Bäume. Das entspreche einer Fläche von 17.000 Fußballfeldern, erklärte Umweltminister Glauber auf der Pressekonferenz. Kaniber nutzte die Konferenz auch als Aufruf an die Landwirte, Verbände und Vereine aus der Zivilgesellschaft, die Pflanzungen in einem "gemeinsamen Kraftakt" zu schaffen. Für den Streuobstpakt stehen bis 2035 insgesamt 600 Millionen Euro zur Verfügung; 50% bezahlt der Freistaat, die andere Hälfte finanzieren der Bund und die EU. Glauber betonte, der Pakt sei ein 3-facher Gewinn, weil er Wertschöpfung, regionale Strukturen und die Artenvielfalt fördere. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist der Streuobstanbau in Bayern mit rund 50 Millionen Euro Umsatz und 10.000 Tonnen Ernte bedeutsam, 400 Keltereien und 4.500 Brennereien profitieren davon.
Söder betonte außerdem den kulturellen Aspekt, denn es gehe um eine neue Herausforderung beim Erhalt von Heimat und Natur, Lebensart und Lebensweise. Streuobst sei nicht nur zentral für den Artenschutz, sondern auch Unesco-Weltkulturerbe und "stark in Franken", wo es zum Alltagsbild gehöre. Für den Vorsitzenden des BN, Richard Mergner, sind Streuobstwiesen "Paradiese aus Menschenhand". Während es früher in Bayern rund 20 Millionen Streuobstbäume gab, sind es nach den Flurbereinigungen und Rodungsprämien vergangener Jahrzehnte jetzt nur noch rund 6 Millionen. Der Pakt sei deshalb auch ein Bekenntnis der Staatsregierung, diesen Trend umzukehren. Das Förderprogramm solle auch dafür sorgen, "dass Streuobst-Produkte in Bayern wieder Alltag werden", so Mergner. Der Vorsitzende des LBV, Norbert Schäffer, hofft, dass die Streuobstwiesen wieder wie früher gesehen und genutzt werden, und sieht im Streuobstpakt ein "großes Projekt, ein großes Ziel".