„Die Unbeschwertheit bei den Kindern ist weg“ - Interview mit der KIJUZ-Leiterin Andrea Klug über die Auswirkungen der Corona-Pandemie

Das KIJUZ ist seit Jahrzehnten eine feste Institution und wichtige Anlaufstelle für viele Kinder und Jugendlichen im Ort. Durch die Beschränkungen in der Corona-Pandemie fiel dieser wichtige Treffpunkt weg. Wie sehr die Kids darunter leiden, erzählt die KIJUZ-Leiterin im Interview.

Seit fast 30 Jahren leitet die Diplom-Sozialpädagogin Andrea Klug das Margetshöchheimer Kinder- und Jugendzentrum an der Margarethenhalle, kurz „KIJUZ“. In normalen Zeiten hatte das KIJUZ mehrmals pro Woche geöffnet und hielt für Kinder ab 7 Jahren zahlreiche Angebote bereit, vom Kochkurs über HipHop-Tanzen bis hin zum beliebten offenen Treffpunkt zum „Chillen und Quatschen“. Derzeit sind nur Einzelgespräche möglich.

Frage: Frau Klug, Sie mussten das KIJUZ im März 2020 wegen des damaligen Lockdowns schließen und fielen danach aus gesundheitlichen Gründen für viele Monate aus. Jetzt sind Sie seit Februar 2021 wieder als KIJUZ-Leiterin zurück. Seitdem dürfen die Kinder corona-bedingt nur noch zu Einzelgesprächen zu Ihnen kommen. Was hat sich bei den Kindern in den vergangenen 11 Monaten aus Ihrer Sicht verändert?

Andrea Klug: Die Kinder haben noch mehr Redebedürfnis als früher und sie sind ernster geworden. Und ruhiger.

Frage: Sie sind Dienstags und Freitags Nachmittags für die Kinder und Jugendlichen vor Ort. Wieviele Kids haben das KiJUZ früher besucht und wieviele kommen jetzt zu den Einzelgesprächen?

Klug: Früher waren es rund 25 Kinder, darunter auch viele sehr junge ab der zweiten Klasse. Zu den Einzelgesprächen kommen jetzt eigentlich nur die älteren Kinder und Jugendlichen. Sie wollen einfach reden und haben sehr viel zu erzählen.

KIJUZ-Leiterin Andrea Klug (links) findet es enorm wichtig, für die Kinder und Jugendlichen weiterhin da zu sein. Mit Einzelgesprächen wie diesem will sie den Kids signalisieren, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein gelassen werden. (Foto: Tina Göpfert)

Frage: Worüber sprechen die Kids mit Ihnen?

Klug: Oft reden sie über den Stress im Homeschooling. Teilweise haben sie das Gefühl, dass sie zu wenig lernen. Andere haben wahnsinnig viel Online-Unterricht und zusätzlich noch Hausaufgaben, Referate etc. weil die Lehrer wohl denken, den Kids wäre sonst langweilig. Das setzt die Kinder unter Druck. Zum Thema Familie: Die Kinder sind total genervt von ihrer kleinen sozialen Blase und wahnsinnig traurig, dass sie ihre Freunde nicht treffen können.

Frage: Geht es für die Kinder und Jugendlichen um dieselben Themen wie vor der Pandemie?

Klug: Ja, aber da sich die Lebenswelt so brutal verändert hat – für niemanden mehr als für die Kinder - müssen diese Themen jetzt anders bearbeitet werden, z.B. in der Pubertät die Frage, wie man eine*n Freund*in kennenlernt. Auch Stress Zuhause und dieses Aufeinandersitzen oder die Mitbetreuung von Geschwistern ist ein häufiges Thema.

Frage: Was berichten die Kinder, wie hat sich der Alltag aus ihrer Sicht verändert?

Klug: Es ist vor Allem der Alltag, das alltägliche Leben, das sich so radikal verändert hat. Fast alle Kinder und Jugendlichen waren im Sportverein, das fällt komplett weg. Es gibt kein Kino mehr. Keine Schule. Sie können sich ausschließlich im Freien treffen und da auch nur eingeschränkt. Das Schlimme ist: das schafft bei vielen Kindern keine Langeweile. Denn Langeweile kann Kreativität erzeugen. Viele hocken einfach Zuhause und daddeln. Wenn man die Kinder und Jugendlichen fragt, finden sie das selber doof. Sie würden sich definitiv lieber mit ihren Freunden treffen und etwas gemeinsam machen. Ich fände es wichtig, dass die Kids weniger Zeit am Bildschirm oder Handy verbringen.

Frage: Wie ist denn die emotionale Lage bei den Kids?

Klug: Ich nehme so eine latente Traurigkeit wahr, gepaart mit einem ungesunden Pragmatismus.

Frage: Was meinen Sie damit?

Klug: Zur Traurigkeit: die Kids lachen deutlich weniger. Der ungesunde Pragmatismus ist ganz schlecht zu erklären: Die Kinder und Jugendlichen finden sich mit der Situation und den Einschränkungen ab, aber sie wirken, als ob sich das auch nicht mehr ändern würde. Eine Art Resignation und Hoffnungslosigkeit. Mittlerweile fragen sie zum Beispiel schon gar nicht mehr, wann oder wie es im KIJUZ denn wieder los geht. Wenn ich versuche, ihnen Mut zu machen oder sie zum Durchhalten animiere, reagieren sie eigentlich kaum noch.

Frage: Das klingt etwas beängstigend.

Klug: Ja in der Tat. Ich fürchte, dass sie sich mit der Situation abgefunden haben und langsam keinem Erwachsenen mehr etwas glauben wollen. Weil sie nur vertröstet werden. Und damit kommen sie nicht klar. Was wir Erwachsenen nämlich auch gar nicht umreißen, ist, wieviel Lebenszeit diese 12 Monate für Kinder und Jugendliche eigentlich sind. Welche rasanten Entwicklungsschübe da in wenigen Monaten passieren können.

Frage: Was denken Sie, was brauchen die Kinder und Jugendlichen jetzt am dringendsten?

Klug: Zuhören, zuhören, zuhören! Auch wenn wir Erwachsenen denken, dass sie corona-bedingt nichts erleben zur Zeit, sieht es in ihrer Erlebniswelt ganz anders aus. Zum Beispiel hängen alle sehr an ihren Großeltern und die fehlenden Besuche sind ein ganz großes Thema. Sogar für die coolsten Jungs. Dann die Körperlichkeit, die total fehlt: dass sie ihre Freunde nicht mehr in den Arm nehmen dürfen, generell die Nähe außerhalb der Familie, die gerade in der Pubertät so eine große Bedeutung hat. Gleichzeitig die als erdrückend empfundene Nähe der Familie. Wir bräuchten eine möglichst schleunige Öffnungsstrategie, die den Kids zumindest einen Teil ihres alten Lebens zurückgeben könnte, zum Beispiel Sportveranstaltungen im Freien oder Treffen im KIJUZ wenigstens in ganz kleinen Gruppen. Natürlich mit ausgefeiltem Hygienekonzept.

Frage: Habt ihr schon Konzepte vorbereitet für die Zeit, wenn das KIJUZ wieder öffnen darf?

Klug: Ja sicher. Einfach Quatschen, Blödsinn machen, Brettspiele spielen, wieder Lachen lernen. Das ganz Normale. Wir haben natürlich ein Hygienekonzept ausgearbeitet, Desinfektionsmittelspender aufgestellt, halten uns an die AHA-Regeln (Abstand, Händewaschen, Alltagsmaske). Wir wollen einfach wieder für die Kinder da sein - im wahrsten Sinn des Wortes.

Informationen und Kontakt:

Kinder- und Jugendzentrum KIJUZ

Erlabrunner Straße 49, Margetshöchheim

(im Keller der Margarethenhalle)

Leiterin: Andrea Klug

Telefon: 0931-461800

Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Corona-Öffnungszeiten:

Dienstag ab 15 Uhr / Freitag ab 16 Uhr und nach Vereinbarung

Normale Öffnungszeiten:

Dienstag 15-21:30 Uhr / Mittwoch und Donnerstag 16-19 Uhr / Freitag 16-22:30 Uhr