Journalismus spiegelt in gewisser Weise immer auch den Zeitgeist wieder, denn Sprache entwickelt sich kontinuierlich im Kontext der Gegebenheiten. Dass im Margetshöchheim-Blog keine sogenannten Gender-Sternchen *, Doppelpunkte : und andere Zeichen verwendet werden, hat allerdings nichts mit Trends oder Ideologien zu tun, sondern handfeste Gründe: die Statistik.
Eines vorweg: Die Blog-Redaktion befürwortet ganz klar Freiheit, Toleranz und die Vielfältigkeit der Menschen. Dennoch verzichten wir in unseren Beiträgen auf Gender-Sternchen *, Doppelpunkte : und andere Zeichen, um auch sogenannte nicht-binäre Menschen explizit in die Personenbezeichnungen einzuschließen (das heißt Menschen, die sich weder als männlich noch als weiblich verstehen). Diese Entscheidung wurde nach reiflicher Überlegung getroffen und beruht auf sachlichen Gründen, die wir Ihnen im Folgenden darlegen wollen.
Zunächst ein kleiner Ausflug in die Wissenschaft. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass es unter den Wirbeltieren, zu denen der Mensch als Homo sapiens aus biologischer Sicht gehört, nur zwei Geschlechter gibt: männlich und weiblich. Dieses biologische Geschlecht wird durch Chromosomen, Hormone und andere Stoffe im Körper bestimmt und bildet sich beim Embryo erst ab der 6. Woche aus; davor sind wir alle Zwitter. Darüber hinaus können sich Individuen mit Merkmalen beider Geschlechter entwickeln; diese werden als intersexuell bezeichnet. Das biologische Geschlecht (in Bezug auf die Geschlechtsorgane, Chromosomen, Keimdrüsen; englisch sex) hat allerdings wenig mit dem englischen Begriff gender zu tun: Gender bezeichnet das soziale Geschlecht, das heißt die kulturelle, "gefühlte" Identität in Bezug auf Normen, Verhaltensweisen, Aussehen, etc. Der Begriff stammt aus der Soziologie und wurde ab den 1970er Jahren populär. Derzeit werden in den sogenannten Gender Studies über 60 verschiedene soziale Geschlechter aufgeführt. Im Deutschen existiert im Wort Geschlecht leider keine Unterscheidung zwischen der biologischen und der kulturellen Definition, daher wird für das soziale Geschlecht auch hierzulande der englische Begriff Gender verwendet.
Gendergerechte Sprache bedeutet demzufolge, dass alle Menschen - egal, ob sie sich als männlich, weiblich oder divers bzw. intersexuell verstehen - einbezogen werden sollen. In Texten wird dies bei Personenbezeichnungen meist mit dem sogenannten Gender-Sternchen * (Beispiel: Bürger*in), mit Doppelpunkten (Beispiel: Bürger:in) oder anderen Zeichen signalisiert. Generell hat sich für eine gendersensible Sprache das Gender-Sternchen * etabliert. Das Wörtchen inter* bezeichnet beispielsweise Personen mit sowohl männlichen als auch weiblichen körperlichen Merkmalen, darüber hinaus wird inter* auch als Oberbegriff für die ganze Vielfältigkeit intergeschlechtlicher Realitäten und Körperlichkeiten verwendet.
Der Margetshöchheim-Blog verzichtet auf das Sternchen * und alle anderen gendergerechten Zeichen, und zwar aus statistischen Gründen. Nach wissenschaftlichen Berechnungen sind in der Bevölkerung bis zu 1,7 % der Menschen von einer intersexuellen Geschlechtsidentität betroffen. Das entspricht in Deutschland rund 120.000 Menschen. Laut wissenschaftlicher Studien ist es allerdings so, dass sich der größte Teil der Betroffenen selbst entweder dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zurechnet; der Anteil von Menschen, die sich "divers" als Geschlecht in ihren Pass eintragen lassen, beläuft sich in Deutschland auf wenige Hundert pro Jahr. In der LGBTIQ-Community wird das Gender-Sternchen häufig verwendet; das Kürzel (engl: Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersexual, Queer; zu deutsch Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans- und Intergeschlechtlich und Queer) hat sich als Synonym für alle Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen durchgesetzt, die von zweigeschlechtlichen und heterosexuellen Normen abweichen. In Deutschland zählen knapp 11 % der Bevölkerung zu dieser Community.
Demgegenüber stehen in Deutschland über 6 Millionen Erwachsene, die nicht richtig lesen und schreiben können. Die Zahl derjenigen, die Probleme beim Verstehen kürzerer zusammenhängender Texte haben, wird sogar auf über 7 Millionen geschätzt. Damit gehören unter der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland über 12 % zu den sogannten funktionalen Analphabeten. Und es ist zu erwarten, dass der Anteil der funktionalen Analphabeten in Deutschland weiter steigen wird, denn die Lesekompetenz deutscher SchülerInnen sinkt seit Jahren ab. Mittlerweile schafft ein Viertel der GrundschülerInnen beim Lesen nicht mehr den internationalen Mindeststandard für eine erfolgreiche Schullaufbahn.
Es ist unbestritten, dass Zeichen wie Sternchen * oder Doppelpunkte : innerhalb eines Wortes den Lesefluss stören. Die Gesellschaft für deutsche Sprache sieht Gender-Zeichen oder Gender-Pausen deshalb nicht als geeignete Mittel an, um diskriminierungsfreie Sprache umzusetzen. Die Blog-Redaktion schließt sich dieser Einschätzung an und setzt schlicht auf das demokratische Mehrheitsprinzip. Auf der einen Seite stehen 1,7 % der Bevölkerung, die ein Gender-Zeichen für ihr Identitätsverständnis wünschen; auf der anderen Seite stehen 12 % der Bevölkerung, denen das Lesen damit zusätzlich erschwert wird. Wir möchten, dass möglichst viele BürgerInnen unsere Berichte nutzen können und verzichten deshalb auch in Zukunft auf Gender-Sternchen und andere Schriftzeichen innerhalb von Personenbezeichnungen. Natürlich meinen wir aber stets ALLE Menschen und heißen jeden und jede als Leser oder Leserin willkommen - ganz egal, ob männlich, weiblich oder divers.
Die Blog-Redaktion