Mit seinen 21 Jahren ist Marcel Holstein der wohl jüngste Verwaltungschef Deutschlands. Mit dem Bürgerbegehren, dem neuen Mainsteg, der Schulsanierung und anderem hatte er gleich große Themen auf dem Tisch. Was ihn von München nach Margetshöchheim verschlagen hat, lesen Sie im Interview.
Frage: Herr Holstein, Sie stammen aus München. Im Oktober haben Sie Ihre Ausbildung zum Diplom-Verwaltungsfachwirt im gehobenen Dienst erfolgreich abgeschlossen und sind mit 21 Jahren jetzt wahrscheinlich Deutschlands jüngster Verwaltungsleiter. Wie hat es Sie in die kleine Gemeinde Margetshöchheim verschlagen?
Marcel Holstein: Ich habe mein duales Studium in Hof absolviert und hatte dabei 15 Monate Praxis beim Bezirk Oberbayern. Das Studium fiel mir leicht, auch die vielen juristischen Inhalte, obwohl es sehr anspruchsvoll war. Aber mit dem digitalen Prozess wegen Corona habe ich mich schwergetan. Jetzt war die Erleichterung groß, dass ich über dem Schnitt abgeschlossen habe. Im Studium habe ich mich gefragt: „Was macht mir Spaß?“. Wäre ich beim Bezirk geblieben, hätte ich in der Münchner Behörde Sozialhilferecht machen können und jedes Jahr dasselbe abgearbeitet. Ich wollte nicht in einer 1500-Mann-Behörde arbeiten, außerdem liegt mir akribisches Geldzählen nicht. Ich möchte sehen, was der Lohn meiner Arbeit ist und was ich bewegen kann. Deshalb habe ich im Februar 2021 mit Verwaltungsleiter Roger Horn telefoniert, um das Tätigkeitsfeld hier auszuloten. Beim ersten Treffen in Margetshöchheim einen Monat später war klar für mich: diese Arbeit ist mein Traum. Jetzt bin ich wahrscheinlich bundesweit der jüngste Verwaltungsleiter und sehr stolz darauf. Mit 21 Jahren diese Position innezuhaben, ist fast rekordverdächtig.
Frage: Was hat Sie an der Gemeinde Margetshöchheim besonders gereizt?
Marcel Holstein: Ich hatte in der Gemeindeverwaltung von Anfang an das Gefühl, dass gutes Miteinander und Team Spirit hier gelebt wird. Das personelle Team hier ist herausragend. Als ich das erste Mal in Margetshöchheim war, bin ich durch die Dorfstraße mit ihren schönen, frisch sanierten Häusern gefahren. Margetshöchheim ist ein wunderschöner Ort am Main, wo man auch leben möchte. Man hat hier nicht mit baulichen Missständen und Leerständen zu kämpfen wie anderswo. Und ich habe einen wunderschönen Arbeitsplatz mit einem tollen Team.
Frage: Ihr Vorgänger berichtet, dass Sie schon bei der Bewerbung super vorbereitet waren. Am 30. Juni war Ihre Abschlussprüfung, am 1. Juli haben Sie mit der Einarbeitung in der Gemeinde begonnen. Seit Januar sind Sie offiziell neuer Verwaltungschef. Wie läuft es bisher?
Marcel Holstein: Die Tage sind lang, die Abende kurz (lacht). Man merkt, was für Aufgaben auf einen zukommen. Ich freue mich riesig, diese Arbeit hier wahrnehmen zu können und die Möglichkeit zu haben, etwas mitzugestalten. Aber Nine to Five geht hier nicht (engl. „Neun bis Fünf“ = Dienst nach Vorschrift; Anm. d. Red.). Die Einarbeitungsphase mit Verwaltungsleiter Roger Horn lief sehr gut. Für die nächsten Jahre wird der Ruf von Herrn Horn sicher noch mitschwingen, es laufen ja auch noch von ihm angestoßene Projekte. Seine Arbeit aus über 30 Jahren kann man gar nicht genug wertschätzen. Die Winkelzüge aus Recht, Baurecht und Kommunalrecht muss ich mir noch erarbeiten. Aber ich bin gewappnet - nicht wegen meiner Lebens- und Berufserfahrung, sondern wegen der Bereitschaft, zu lernen und Dinge anzugehen. Hürden kann man überwinden, wenn man sich den richtigen Weg sucht. Und mir wird hier viel Vertrauen entgegengebracht, das finde ich toll.
In Deutschland hat sich in den letzten 10-15 Jahren vieles gewandelt. Ich bin mit großen gesellschaftlichen Veränderungen aufgewachsen, Finanzkrise, Atomkraft, das Migrationsthema und so weiter. Auch in Margetshöchheim haben wir jetzt viele große Themen gleichzeitig, aber das schreckt mich nicht.
Außerdem möchte ich mit meiner Position auch dem Klischee entgegentreten, dass die Jugend angeblich keine Verantwortung übernehmen möchte, denn das stimmt nicht. Man möchte das tun, was einen erfüllt, das gehört zum Lebensgefühl. Mit der hohen Verantwortung kommen einerseits Freiheiten und andererseits Verpflichtungen. Hier habe ich eine Tätigkeit, die mir Spaß macht und für die ich brenne. Gerade für Ältere ist die Gemeinde noch eine Institution, quasi eine „Suchmaschine“. Viele EinwohnerInnen fragen hier nach Auskunft. Das zeigt auch, welchen guten Ruf die Verwaltung in der Gemeinde genießt.
Frage: Sie sind im vergangenen Jahr von München nach Erlabrunn gezogen und arbeiten in Margetshöchheim. Wie erleben Sie als „Neig’schmeckter“ die beiden fränkischen Dörfer?
Marcel Holstein: Meiner Meinung nach haben beide Orte ein gutes Gemeindeleben, das von Vereinen, Initiativen und Zusammenschlüssen geprägt ist. Ich denke, dass man sich in beiden Gemeinden sehr wohlfühlen kann, wenn man auch etwas zurückgibt und sich ins Dorfleben integriert. In Erlabrunn bin ich Mitglied der Feuerwehr geworden, das läuft sehr harmonisch und es ist ein schönes Miteinander wenn jeder weiß, was er zu tun hat. Auch in der Heckenwirtschaft bin ich sehr gut aufgenommen worden. Über das Leben in Margetshöchheim kann ich mir noch schwer ein Urteil bilden, weil man in der Position als Verwaltungsleiter zwar vieles mitkriegt, aber oft mit schwierigen Themen umgehen muss. Mein Eindruck ist aber, dass diejenigen, die kühne Vorstellungen haben, in der Minderheit sind. Ich bin überzeugt, dass Margetshöchheim in der breiten Masse eine sehr intakte Dorfgemeinschaft hat. Viele engagieren sich in Vereinen, zum Beispiel in der Nachbarschaftshilfe. Auch als Münchner kann man sich hier heimisch fühlen. Am Ende ist alles ein Geben und ein Nehmen.